Ziel des Projekts ist es, die mittelalterlichen deutschen Versionen des Losbuchs "Prenostica Socratis Basilei (PSB) zu edieren, ein Werk mit arabischer Herkunft das erstmals im 13. Jahrhundert auf Latein dokumentiert wurde. Fünf mittelalterliche deutsche Versionen sind erhalten, die in zehn Textzeugen aus dem 15. und 16. Jahrhundert überliefert wurden.
Losbücher, ein Genre mit Wurzeln in der Spätantike, verkörpern eine Wahrsagepraxis, die im Mittelalter und darüber hinaus große Beliebtheit erlangte, trotz kirchlicher Zensur. Diese Texte waren nicht für lineares Lesen gedacht; stattdessen waren Zufallswerkzeuge erforderlich, um von einer Liste von Fragen zu deren Antworten zu gelangen, indem man einer Kette von Hinweisen folgte. Ihre stark interaktive Natur führte dazu, dass sie im Mittelalter als Gesellschaftsspiele neu interpretiert wurden. Bestehende Editionen konzentrieren sich überwiegend auf die Textdimension und übersehen die Illuminationen, Diagramme und interaktiven Werkzeuge, die die Texte begleiten. Außerdem wurde noch kein Losbuch als Digitale Wissenschaftliche Edition veröffentlicht. Die Bearbeitung dieser Texte ist jedoch aus mehreren Gründen wertvoll. Anthropologisch bieten sie Einblicke in die Zweifel, Wünsche und Sorgen der mittelalterlichen Menschen. Sprachlich gesehen, da diese Texte zur Gebrauchsliteratur zählen, entsprachen sie nicht den literarischen Standards, was wahrscheinlich eine höhere linguistische Authentizität bewahrt hat. Die einzigartigen Layouts beschränkten den Platz für Textinhalte, was zu Satzunterbrechungen und umfangreicher Verwendung von Abkürzungen führte.
Traditionelle Bearbeitungsmethoden sind unzureichend, um die strukturelle Varianz, die interaktive Natur und die fehlende Linearität der Texte zu berücksichtigen. Die Transkriptionen der deutschen Textzeugen des Lobuchs PSB werden daher in der Graph-Datenbank Neo4j modelliert, was mehrere Annotationsebenen und intra- und intertextuelle Verbindungen erleichtert. Verschiedene Formate wie XML und RDF können jedoch aus Neo4j extrahiert werden. Nach Normalisierung und Kollation werden die Textdaten in eine Binärmatrix für phylogenetische Analysen umgewandelt. Binärmatrizen werden auch erstellt, um die Varianz der Spielstrukturen und die diagrammatischen Dimensionen dieser Quellen zu analysieren. Hermeneutische Analysen werden Assoziationen zwischen verschiedenen Komponenten der Werke, wie Themen, Realia (kulturspezifische Objekte) und orakelähnlichen Autoritäten, untersuchen, um bedeutungsvolle Muster zu identifizieren. Die resultierende Online-Edition wird sowohl einen Text- als auch einen Spielmodus bieten. Sie wird kritische, diplomatische und normalisierte Texte für jede der deutschen Versionen der PSB und eine synoptische Präsentation zur Erleichterung traditioneller Studien enthalten. Darüber hinaus wird sie die interaktive Dimension dieser Quellen durch die Erstellung einer Spiel-Edition verstärken, die sich auf ihren multimodalen Charakter konzentriert.